Sind sie zu stark, bist du zu schwach! Oder: Wer hat Angst vorm Robo-Kollegen?
- Katrin Groß
- 2. Sept.
- 5 Min. Lesezeit
Wenn es nach manchen Schlagzeilen geht, steht die Apokalypse kurz bevor: Maschinen denken jetzt mit – und zwar besser als wir. Die Künstliche Intelligenz (KI) ist gekommen, um zu bleiben, und in den Kantinen wird schon gemunkelt, wer wohl als Nächstes durch einen Algorithmus ersetzt wird. Stephen Hawking schrieb 2018 in seinem Buch »Kurze Antworten auf große Fragen«: Eine Super-KI wäre entweder das Beste oder Schlimmste, dass der Menschheit zustößt. Doch bevor wir kollektiv in Panik ausbrechen und ChatGPT beauftragen, unsere Lebensläufe griffig zu überarbeiten, lohnt sich ein nüchterner – oder zumindest halbwegs sachlicher – Blick auf die tatsächlichen Auswirkungen von KI auf unsere Arbeitswelt.
KI verändert Arbeitsplätze – also: Geh mit oder beiseite.
Laut einer vielbeachteten Studie der Unternehmensberatung McKinsey (2024) könnten bis 2030 weltweit bis zu 12 Millionen Menschen in neue Berufsfelder wechseln müssen – durch Automatisierung, Robotik und KI. Allein in Deutschland wären 3 Millionen Jobs von den Veränderungen betroffen und die Beschäftigten müssten sich hauptsächlich in den Bereichen mit administrativen Tätigkeiten neu aufstellen. 30 % aller aktuell existierender Jobs würden demnach wegfallen oder von einer künstlichen Intelligenz erledigt werden. Das klingt dramatisch, doch dieselbe Studie betont, dass im Gegenzug Millionen neuer Jobs entstehen, insbesondere in Technologie, Pflege, Bildung und »grünen« Branchen. Der Schlüssel? Weiterbildung. Und nein, YouTube-Tutorials und das Anschauen von Instagram-Lifehacks zählen nicht immer als vollständige Umschulung.
Wer zittert besonders? – Risikojobs im KI-Zeitalter.
Besonders betroffen sind laut einer Analyse der OECD (2023) vor allem Tätigkeiten mit hohem Automatisierungspotenzial: Routineaufgaben in Verwaltung, Buchhaltung, einfache Dateneingaben. KI kann diese Aufgaben oft effizienter und günstiger erledigen. Im Gegensatz zu mir, die auf tägliche Mittagspausen, freie Wochenenden und Urlaub besteht, ist das Tatenvolumen der Robo-Kollegen nie aufgebraucht.

Roboterassistent, der in einem modernen Labor arbeitet und mit Präzision und Sorgfalt Forschungsexperimente durchführt
Bild: @ Adobe Stock
Noch können komplette Jobs meist nicht ersetzt werden, doch Routinetätigkeiten und gerade Arbeiten, die bisher von Berufseinsteigern erledigt wurden fallen zusehends in das Aufgabengebiet der KI. Die Jobplattform Indeed hat ausgewertet, dass »Junior-Stellenausschreibungen« rückläufig sind. Bei Neueinstellungen werden mindestens fünf Jahre Berufserfahrung erwartet.
Auch in kreativen Berufen wird es spannend. Ja, KI kann inzwischen Gedichte schreiben, Bilder malen und sogar Musik komponieren. Das klingt beeindruckend – bis man sich anhört, was dabei manchmal rauskommt. Oder wie ein Design aus Midjourney aussieht, wenn man nicht weiß, wie man den Prompt richtig formulieren soll. Denn die KI bezieht sich beim Generieren des Bildes auf Beispieldaten und variiert diese. Die Anweisungen werden interpretiert und nicht wörtlich umgesetzt. Bei meinen Versuchen, die ich spaßeshalber unternommen habe, hätte man meinen können, »abstrakte Darstellung einer Katze beim Zahnarzt« wäre die Anweisung gewesen. Kurz: Kreativität bleibt gefragt, aber der Maßstab verschiebt sich.
Interessanterweise haben Personen, die mit den neuen Technologien besser vertraut sind, mehr Befürchtungen, dass ihre Arbeitsplätze gefährdet sind, wie eine Befragung der Technischen Universität Darmstadt ergab. Verständlich, dass diejenigen, die sich nicht vorstellen können, was da auf uns zukommt, nicht glauben, von einem Jobverlust betroffen zu sein.
Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums von 2023 sind bis 2027 rund 44 % der derzeitigen Arbeitsfähigkeiten potenziell veraltet. Besonders betroffen: klassische Büroberufe. Ironie des Schicksals – einst Symbol für Stabilität, nun durch KI-Bürokraten in Bedrängnis.
KI als Kollegin, nicht Konkurrentin.
Es stimmt, dass KI Arbeitsplätze verändert – aber das ist kein Novum in der Geschichte der Menschheit. Die Dampfmaschine hat auch nicht nur Jobs vernichtet, sondern neue geschaffen. Bisher haben technische Veränderungen am langen Ende zu Wachstumsschüben, höherem Lebensstandard und steigenden Wohlstand geführt. Das allein kann jedoch kein Garant dafür sein, dass sich die Geschichte wiederholt. KI könnte viel radikaler in die Arbeitswelt eingreifen. Sie wirkt sich nicht nur auf einzelne Sparten aus. Da werden Nachrichtenredaktionen von künstlicher Intelligenz ersetzt, juristische Texte schneller erfasst, als es ein Mensch könnte, Übersetzungsbüros und Telefonzentralen überflüssig gemacht.
Doch nicht nur Angst ist angesagt. In vielen Fällen wirkt KI eher als digitale Assistentin statt als Jobkillerin. Sie hilft dabei, komplexe Daten auszuwerten, Kundenservice zu verbessern, Diagnosen schneller zu stellen oder Programmcode zu schreiben. All das jedoch nur, wenn man ihr genau erklärt, was zu tun ist. Und den richtigen Prompt zu schreiben, ist gar nicht so einfach.
Eine Studie des MIT (2023) zeigt: Teams, die KI in ihre Arbeit integrieren, sind bis zu 20 % produktiver – insbesondere bei Aufgaben, die Kreativität und analytisches Denken erfordern. Das Zauberwort heißt »Augmented Intelligence« – also eine KI, die den Menschen ergänzt, nicht ersetzt. Klingt fast wie eine Anregung aus einer Eheberatung.
Wer profitiert? – Chancen durch KI.
Neben der Steigerung von Effizienz und Produktivität gibt es konkrete Chancen:
Barrierefreiheit: KI kann Menschen mit Behinderungen im Beruf unterstützen, z. B. durch Spracherkennung oder automatische Übersetzung in Gebärdensprache.
Demografischer Wandel: In alternden Gesellschaften wie Deutschland kann KI helfen, Personallücken zu schließen – etwa durch Pflegeroboter oder automatisierte Betreuungssysteme. Ob das emotional befriedigend ist, steht auf einem anderen Blatt.
Neue Berufsbilder: Prompt-Engineer, KI-Trainerinnen und -Trainer, Datenethikerinnen und -Ethiker – wer sich heute weiterbildet, könnte morgen schon in einem Beruf arbeiten, den es gestern noch nicht gab. Das hat auch was von Science-Fiction-Romantik.

Bereits jetzt gibt es erste Roboterlösungen, die im Pflegebereich eingesetzt werden. Bild: @ Adobe Stock

Auch in der »grünen Branche« werden durch KI wieder neue Jobs entstehen. Bild: @ Adobe Stock
Aber Vorsicht: KI ist kein Wundermittel.
Natürlich ist nicht alles Gold, was von neuronalen Netzen glänzt. KI kann auch Unsinn produzieren – und das mit erstaunlicher Überzeugungskraft. Die berühmten »Halluzinationen« großer Sprachmodelle sind keine Figuren aus Harry Potter, sondern ernstzunehmende Risiken. Eine Studie der Stanford University (2023) fand, dass KI-Modelle in etwa 20–30 % der Fälle falsche oder verzerrte Informationen liefern – vor allem, wenn man sie »frei erzählen« lässt.
Zudem besteht das Risiko der Bias-Verstärkung: Wenn eine KI mit diskriminierenden Daten trainiert wird, diskriminiert sie munter weiter – nur effizienter. Amazon musste beispielsweise 2018 ein KI-Rekrutierungssystem einstampfen, weil es systematisch Bewerbungen von Frauen benachteiligte. Ironie am Rande: Die KI hatte offenbar von früheren, menschlichen Entscheidungen gelernt.
Und dann ist da noch die Frage der Datensicherheit. Wer mit sensiblen Informationen arbeitet – in Medizin, Recht, Finanzen –, sollte gut überlegen, ob und wie KI eingesetzt wird. Schließlich kann ein digitaler Assistent, der versehentlich die Kontodaten an den falschen Empfänger weiterleitet, schnell teuer werden. Und nicht über jede Firmeninterna sollte offenherzig mit ChatGPT geplaudert werden.
Was tun? – Empfehlungen für die Gegenwart.
Weiterbildung, Weiterbildung, Weiterbildung. Wer heute weiß, wie man KI sinnvoll einsetzt, hat morgen die besseren Karten. Das gilt für CEOs genauso wie für Azubis (Haben Sie ein Glück, dass Sie als Leser dieses Newsletters beste Verbindungen zu einem der führenden Unternehmen im Bildungsmanagement haben. Wir freuen uns auf Ihrer Kontaktaufnahme).
KI-Kompetenz in Unternehmen aufbauen. Nicht jeder braucht gleich ein KI-Labor im Keller, aber Grundverständnis ist Pflicht. Wer KI nur als „Black Box“ betrachtet, wird schnell abgehängt.
Ethik nicht vergessen. Der Einsatz von KI sollte immer menschenzentriert sein. Transparenz, Fairness und Verantwortung sind keine Feinde von Innovation – im Gegenteil.
Politik und Regulierung. Die EU arbeitet bereits mit dem AI Act an Regeln, die Innovation fördern und Risiken minimieren sollen. Bleibt zu hoffen, dass Bürokratie nicht schneller als die Technologie wächst.
Fazit: Keine Panik, aber bitte anschnallen KI wird den Arbeitsmarkt nicht zerstören – aber massiv verändern. Wer sich jetzt vorbereitet, kann von den Chancen profitieren. Wer sich zurücklehnt und hofft, dass es schon irgendwie gut geht, könnte eines Tages vom Chatbot mit freundlicher Stimme freigestellt werden. Oder, wie es ein KI-Experte formulierte: »Künstliche Intelligenz wird nicht Ihren Job übernehmen. Aber jemand, der KI beherrscht, vielleicht schon.« Und wenn das passiert – dann sollte man wenigstens wissen, wie man dem Algorithmus zum Abschied höflich die Hand schüttelt. |