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  • AutorenbildKatrin Groß

Denken in der Zukunft – Gedanken über die Zukunft

Im Grunde ist es nur eine Mischung aus Wasser, Eiweiß, Fett, Cholesterin und Vitamine: unser Gehirn. Das Organ, mit dem wir denken, dass wir denken, sagt Ambors Bierce. Seit etwa 100.000 Jahren existiert es in der heutigen Form. Ein System aus 100 Milliarden Neuronen, das ist eine Eins mit Neun Nullen. Diese sind wiederum mit rund eintausend elektrochemischen Gebilden, den Synapsen, verbunden. Das menschliche Gehirn dürfte das komplexeste Gebilde des Universums sein. Und dennoch sind da so viele Dinge, die wir nicht hinbekommen: innerhalb von wenigen Tagen die Grammatik einer Fremdsprache lernen, ultraviolettes Licht erkennen, Laute im Ultraschallbereich hören. Wäre es nicht eine verlockende Vorstellung, wenn wir im Hirn einen Chip implantiert hätten? Wir würden uns kurz mit einem Computer-System verbinden und in null Komma nichts könnten wir fließend auf Französisch parlieren. Nachdem ich viel Lebenszeit mit dem Lernen französischer Vokabeln verbracht habe, die allesamt nach der letzten Schulstunde auf wundersame Weise aus meinem Gedächtnis gelöscht wurden, fände ich das durchaus interessant.


Sie sagen wahrscheinlich, ein Chip im Gehirn gehöre in das Reich des Science-Fiction. Ein Hirn-Upgrade ist für Sie unvorstellbar? Als Cyborg, also als eine Mischung aus Mensch und Maschine, durch die Gegend zu laufen, werden wir nicht mehr erleben? Dabei verlaufen die Grenzen zwischen beiden bereits heute fließend. Wer hätte Bedenken, sich, wenn es nötig sein sollte, einen Herzschrittmacher implantieren zu lassen? Oder sich im Notfall an ein Beatmungsgerät anschließen zu lassen? Und wie sieht es mit einem Hirndoping aus? Liegt die Einnahme einer Kopfschmerztablette, die die Produktion des Glückshormons Dopamin ankurbelt, bereits in dieser Kategorie?


Ist der Mensch noch der beste Computer?


Davon war zumindest John F. Kennedy überzeugt. Doch heute sind die ersten Entwicklungsschritte hin zu einer Optimierung des Gehirns bereits gemacht. Neuralink, eines der vielen Firmen von Elon Musk, forscht, ausgestattet mit dem Geld des Milliardärs, genau in diesem Bereich. Musk sagt, er sähe die größte Bedrohung des Menschen durch die künstliche Intelligenz. Wir müssten daher bereits jetzt dafür Sorge tragen, dass wir uns gegenüber dieser Technologie stets behaupten können. Er befürchtet, dass durch Weiterentwicklung der Technologie die Roboter uns eines Tages überlegen sein könnten. Sein Unternehmen hat hierfür hauchfeine Fäden entwickelt, die durch die Schädeldecke über die Schichten des Gehirns gelegt werden und sich somit untrennbar mit diesem verbinden können. Das klingt vielleicht etwas unappetitlich, doch in den USA sind erste Versuche zu medizinischen Zwecken genehmigt. Dies würde uns tatsächlich zu einem biologischen Wesen mit einer Maschinenverbindung machen.


Neuralink baut derzeit ein Patientenregister auf. US-Staatsbürger oder Personen mit ständigem Wohnsitz in den USA und Beeinträchtigungen wie u.a. Sehkraftverlust und Taubheit können sich dort registrieren und ihr grundsätzliches Interesse an der Teilnahme einer klinischen Studie hinterlegen.

Bildquelle: https://neuralink.com/patient-registry/



Klingt fantastisch? Zweifellos. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Musk großspurig mehr verspricht als er halten kann. Aber er hat einen langen Atem. Und wir haben bereits erlebt, dass er verwirklicht, was nach gängiger Meinung gar nicht umsetzbar schien. Hier sei nur am Rande Space X erwähnt, das Unternehmen, das Raketen ins All schickt, die anschließend sanft auf der Erde landen und wieder einsetzbar sind. Etwas, das keine staatliche Institution bisher geschafft hat und ein Verfahren, das bisher als nicht machbar galt.


Keineswegs wird die Idee, dass das Gehirn künstlich ein Update erhalten könne, als bloße Spinnerei abgetan. Die einen sehen in »Neural Lace«, so die Bezeichnung der von Neuralink entwickelten Fäden, ein harmloses technisches Hilfsmittel, das uns ermöglicht, die menschlichen »Unzulänglichkeiten« zu überwinden. Doch was Musk flapsig als ein »Fitnessarmband fürs Gehirn« bezeichnet, ruft an anderer Stelle durchaus Bedenken hervor. Chile hat 2021 Neuro-Rechte erlassen. Damit werden Gedanken genauso geschützt wie Organe. Handel und Manipulation sind strafbar. Auch in Frankreich können Technologien, die das Gehirn verändern, verboten werden. Das Messen von Hirnströmen ist ausdrücklich nur im medizinischen und wissenschaftlichen Kontext gestattet. Und in Deutschland möchte die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit in Halle, die dem Verteidigungsministerium zugeordnet ist, dafür sorgen, dass unser Gehirn »unhackbar« bleibt. Die Angelegenheit wird also durchaus seriös betrachtet.


Bevor wir wissen, was wir tun, müssen wir wissen, was wir denken.

So mahnte Joseph Beuys. Und mit der Kraft unserer Gedanken können wir ganze Maschinen steuern. Man spricht hier von »Brain-Computer-Interface«, kurz BCI. Auf Deutsch etwa »Gehirn-Computer-Schnittstelle«. Um zu beschreiben, um was es sich hierbei handelt, sei ein Experiment kurz skizziert:


Einer Ratte wird eine Elektrode implantiert. Die Hirnsignale, die während der Bewegungen der Ratte entstehen, lassen sich in Echtzeit aufzeichnen. Die Ergebnisse dieser Hirnaktivitäten können auf einen Computer gespielt werden und lassen sich analysieren. Aus den elektrischen Hirnströmen werden motorische Programme extrahiert. Entsprechend dem »Programm«, das im Gehirn der Ratte abläuft, wenn sie sich bewegt. Der Neurowissenschaftler Miguel Nicolelis hat Tausende dieser Hirnströme gesammelt, entschlüsselt und in digitale Befehle umgewandelt. Diese digitalen Befehle konnte er weiterleiten und so einen Roboterarm bewegen. Der Roboter tat somit das Gleiche wie die Ratte. Die Brain-Computer-Interfaces Technologie wird weiterentwickelt und verfeinert. Bereits heute ermöglicht es beispielsweise Querschnittsgelähmten erste Gehversuche. Die mentale Vorstellung der Bewegung führt zu einer messbaren Hirnaktivität. Durch das Denken an die Bewegung kann diese auf eine Maschine übertragen werden. Es gibt sie also, die guten Einsatzmöglichkeiten für eine Mensch-Maschine-Verbindung.


Derzeit sind die Brain-Computer-Interfaces noch nicht alltagstauglich. Auch nicht in ihrem Erscheinungsbild. Die Entwicklung schreitet aber rapide voran.

Bildquelle: Adobe Stock


Der Forscherdrang, insbesondere im Silicon Valley, ist riesig. Will man dem Einhalt gebieten? Inspirationen für das, was noch alles möglich wäre und uns den Alltag erleichterte, gibt es viele. Könnte es nicht sehr praktisch sein, wenn wir über Kontaktlinsen unbegrenzten Zugriff auf das Internet hätten, auf all das Wissen und die Informationen. Vergleichbar mit dem Head-Up-Display, den einige Autohersteller jetzt anbieten. Hier sammelt das Fahrzeug Informationen über den Streckenverlauf und die Verkehrsbedingung und stellt sie den Fahrenden komfortabel zur Verfügung. Auch dies ein argloser Assistent. Solche Kontaktlinsen sind bereits entwickelt.


Wo soll man die Grenze ziehen und sagen, »Das geht zu weit?“ Selbst wenn Grenzen definiert werden und Gesetze erlassen werden, wie sollen diese kontrolliert werden? Insbesondere im Silicon Valley gilt oft: »Frage nicht um Erlaubnis. Du kannst dich ja hinterher entschuldigen!« Wer könnte somit das Programmieren verbieten? Wer jeden Algorithmus überprüfen? Brauchen wir eine KI-Polizei? Wenn einzelne Länder oder Kontinente bestimmte Entwicklungen verbieten, müssen die daraus entstehenden Konsequenzen bedacht werden. Die globale Welt ist vernetzt und befindet sich miteinander im Wettbewerb. Wenn dann Cyborgs auf »Normalos« treffen, hätten die Letztgenannten wahrscheinlich Nachteile. Keine Frage, wir alle müssen ganz genau den weiteren Fortschritt im Auge behalten. Höchst problematisch wäre es, wenn sich eine Elite etabliert, die weder finanzielle Beschränkungen noch ethische Probleme damit hat, sich technisch aufzurüsten. Chancengleichheiten müssen gewahrt werden. Denn eine Weiterentwicklung der Mensch-Maschine- oder Mensch-Computer-Symbiose wird sich nicht aufhalten lassen. Und dabei kann auch viel Gutes entstehen.


Der Verstand und die Fähigkeit, ihn zu gebrauchen, sind zweierlei Fähigkeiten.

Wir neigen dazu, unsere Entscheidungen emotional zu treffen. Bei Themen wie BCI oder Erweiterung unserer Denkleistung mittels Chips oder eben dünner Fäden, schießen uns Bilder des Terminators, von künstlichen Intelligenzen, die außer Kontrolle geraten sind oder von mordlüsternen Androiden durch den Kopf. Dabei dürfen wir nicht übersehen, welchen Nutzen zukünftige Technik auch haben wird. Ja, es mag ein Quantensprung liegen zwischen dem Verzehr von »Superfood« und dem Einpflanzen eines Chips im Kopf. Die Zielsetzung ist jedoch bei beidem das Gleiche: die Leistung des Gehirns zu steigern. Wenn sich damit Alzheimer heilen oder Demenz begrenzen ließe, wäre das verwerflich? Immer vorausgesetzt, dass sich ein Chip tatsächlich entsprechend implantieren ließe. Viele Neuro-wissenschaftler bezweifeln dies. Haben wir doch aktuell noch nicht mal die Funktionsweise unseres Gehirns in Gänze verstanden, auch ohne digitale Erweiterung. Doch sollten Quantenrechner, oder auch eine gänzlich andere Rechner-Art, künftig in der Lage sein, wesentlich größere Rechenoperationen durchzuführen, vielleicht können sie irgendwann die Funktion unseres Gehirns simulieren und verstehen, wie wir denken. Ein weiteres Musk-Unternehmen, Tesla, ist führend in dem Bereich künstlicher Intelligenz. Der Prototyp eines selbst denkenden Avatars ist entwickelt.


So sieht er derzeit aus, der Optimus von Tesla. In naher Zukunft soll er eine Heimat im Montagebereich finden. Bildquelle: https://neuralink.com/patient-registry/

Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=vLwPh8rt49c


Wenn es so ein »Wesen« gäbe, könnte es die heiklen Tätigkeiten für uns übernehmen. Zum Beispiel in einem brennenden Haus nach Verletzten suchen. Und ja, wenn die Maschine das zuwege bringt, wäre der Schritt, sie für militärische Zwecke einzusetzen, naheliegend.


Das mag beunruhigen. Doch soll dies nicht die Vorteile, die sich aus einer Mensch-Maschinen-Verbindung ergäben, verdrängen. Apparate, die direkt oder indirekt Hirnaktivitäten anstoßen. Bereits heute gibt es Prototypen von Hörgeräten, die akustische Signale an das Gehirn weiterleiten und Tauben das Hören ermöglichen. Entsprechend gibt es Kameras, die ihre visuellen Aufzeichnungen an die Netzhaut leiten. Dadurch werden im Gehirn Impulse gesetzt, die Blinden zumindest ein rudimentäres Sehen erlauben.


Was auch immer die Zukunft für uns bereithält, bei mir überwiegt die Neugier und die Freude auf das, was kommt. Auch wenn es gilt, die Entwicklung stets kritisch zu begleiten und zu hinterfragen, es wird spannend sein zu erleben, welche Fähigkeiten wir uns noch aneignen werden können.



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