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AutorenbildDominic Strong

Print vs. Digital: Ein ökologischer Vergleich

»Papier abschaffen, Bäume retten!«. So schallt es unisono durch die verschiedensten Kanäle von Menschen und Unternehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, einen Beitrag zu unserer Umwelt und der voranschreitenden Klimakrise zu leisten. Aber sind die digitalen Medien tatsächlich so viel klimafreundlicher als ihre Vorgänger? Es fällt leicht, das anzunehmen, da uns der Zusammenhang zwischen einem Baum und einem Stück Papier so viel eingängiger erscheint, als der weitgehend verborgene Lebenszyklus elektronischer Geräte. Dieser summiert in seiner Existenzspanne von der Produktion, über die Energieversorgung bis hin zur Entsorgung seine Umweltauswirkungen. Auch die Berücksichtigung der Lieferketten von Elektrogeräten und ihren verbauten Einzelteilen aus aller Welt, bei deren Gewinnung Umwelt und Arbeiter nicht selten hinten angestellt werden, könnte die digitalen Medien durchaus aus dem Rennen um den Platz des »grüneren Mediums« werfen.


Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen. Was braucht es, um einen Papier- bzw. einen digitalen Artikel zu produzieren? Abgesehen von der Geisteskraft des Autors: Wie ist dieser Artikel auf Ihrem Schreibtisch gelandet?

Der Vergleich ist in zweierlei Hinsicht äußerst kontextabhängig. Die Umweltentscheidungen des Herstellers können einen großen Einfluss auf die Nachhaltigkeit des Endprodukts haben, sei es auf Papier oder in digitaler Form. Außerdem muss jede Bedarfssituation, soviel sei vorweggenommen, individuell beurteilt werden, um festzustellen, welche Variante in dem bestimmten Fall die sinnvollere ist. Nur so kann der ökologische Fußabdruck so gut wie möglich minimiert werden. Wir hoffen, dass dieser Artikel Ihnen einen Ausgangspunkt für die kritische Bewertung beider Optionen bietet.


Wir werden im Folgenden die resultierenden Umweltbelastungen eines 20-seitigen Artikels betrachten. Einmal auf reguläres Papier aus einem Laser Printer gedruckt und einmal dargestellt auf einem durchschnittlichen Laptop.


Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen. Was braucht es, um einen Papier- bzw. einen digitalen Artikel zu produzieren? Abgesehen von der Geisteskraft des Autors: Wie ist dieser Artikel auf Ihrem Schreibtisch gelandet?


Im direkten Vergleich

Wenn Sie die Papierversion unseres imaginären Dokuments lesen, waren die weißen Seiten vor Ihnen wahrscheinlich vor nicht allzu langer Zeit ein lebendiger Teil eines Waldes. Es werden über 8 Bäume benötigt, um 100.000 Blatt Papier zu produzieren, der dadurch entstandene CO2- Fußabdruck beträgt in etwa 6.000 kg. Unser 20-seitiger Artikel hat demnach eine CO2-Bilanz von 1,2 kg, rein aus Produktionsenergie. Allerdings lässt sich die Umweltbelastung des Druckvorgangs vernachlässigen. Diese bewegt sich in der Größenordnung von unter einem Gramm CO2 pro Seite.


Was jedoch hinzukommt, ist das Frischwasser, welches für die Produktion unseres Artikels benötigt wird. Bei 20 Blatt A4 Papier werden in etwa 6,4 l Frischwasser verbraucht, was dem Energieverbrauch in der Produktion zusätzliche 0,65 kg Kohlendioxid hinzufügt. Da durch diese beiden Faktoren der größte Teil der Umweltbelastung unseres Magazins abgebildet ist, können wir eine ungefähre Schätzung des gesamten CO2-Umsatzes unseres Artikels vornehmen: Das Produzieren und Drucken des 20-seitigen Dokuments hat einen CO2-Fußabdruck von ca. 1,85 kg.


Die Auswirkungen der Herstellung

Wenn Sie sich für die digitale Version unseres Artikels entschieden haben, müssen wir zunächst das Gerät berücksichtigen, mit dem Sie unseren Artikel online lesen: Ihren Laptop. Die Herstellung eines durchschnittlichen aktuellen Laptops verursacht alleine durch den zur Produktion notwendigen Energie verbrauch Kohlendioxidemissionen von 227 bis 270 kg. Die dabei verbrauchte Energie macht 70 % des Energieverbrauchs der gesamten Lebensdauer des Geräts aus. Die Berücksichtigung des Wasserverbrauchs – eine vorsichtige Schätzung von 6.500 Litern pro Laptop – fügt zusätzliche 655,2 kg CO2-Emissionen hinzu. Insgesamt verursacht die Herstellung eines Laptops einen Treibhausgas-Ausstoß zwischen 882,2 kg und 925,2 kg.



Betrachtet man nun die durchschnittliche Lebensdauer eines Laptops von vier Jahren, liegt der jährliche CO2-Fußabdruck eines Laptopbesitzers zwischen 220,6 und 231,3 kg. Wenn wir davon ausgehen, dass Sie Ihren Laptop 6 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche (1.350 Stunden pro Jahr für 45 Arbeitswochen) verwenden, entspricht die in die Produktion eingebettete CO2-Bilanz Ihres Laptops ungefähr 0,25 kg Kohlendioxid pro Stunde. Unter der Annahme, dass das Lesen eines 20-seitigen Artikels zwischen 64 und 80 Minuten dauert, beträgt der CO2-Umsatz beim Lesen also in etwa 300 Gramm.


Die meisten Emissionen stammen aus der Gewinnung der notwendigen Materialien, und der Ausstoß von Treibhausgasen ist hier nicht das einzige Umweltproblem. Jeder Laptop – und jedes elektronische Gerät im Allgemeinen – enthält Seltenerdmetalle sowie giftige Substanzen. Der aktuelle Status quo der Gewinnung von Mineralien und Chemikalien ist sowohl für die Umwelt als auch für die Arbeiter schädlich. Laptops enthalten Blei in ihren Batterien und einige LCD-Bildschirme enthalten Quecksilber. Nicht selten gelangen diese Chemikalien bereits während der Produktion und natürlich bei der Entsorgung in die Umwelt.


Der Großteil der weltweit produzierten Laptops stammt aus China. Mit seinen laxen Umweltvorschriften und der geringen Rechenschaftspflicht für Arbeitnehmerrechte produziert das bevölkerungsreichste Land der Welt schnell und billig.


Der Abbau dieser seltenen Erden geschieht größtenteils in Entwicklungsländern. Dort kann, bei der Jagd nach dem günstigsten Anbieter, von einer fairen Bepreisung der Rohstoffe nicht die Rede sein. Stattdessen sind tödliche Arbeitsunfälle und Kinderarbeit an der Tagesordnung.


Selbstredend resultiert daraus eine massive Belastung für die sozio-ökologische Nachhaltigkeit. Wenn Sie keinen neuen Laptop einer besonders ethischen Marke (oder einen gebrauchten) mit der entsprechenden Zertifizierung besitzen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Ihr Laptop Teil der Kette dieser sozialen und ökologischen Schweinerei ist.


Die Auswirkungen der Nutzung


Bei Laptops steigt der CO2-Ausstoß proportional zur Zeit, die Sie mit dem Lesen verbringen. Die Emissionen von Papierkopien entstehen erst ab dem Zeitpunkt des Drucks des Dokuments und ändern sich bis zu ihrem Recycling nicht mehr.

Ein 17-Zoll-Laptop-Bildschirm hat durch seinen Energieverbrauch einen Kohlendioxid-Umsatz von etwa 23,4 g pro Lesestunde. Unter der Annahme, dass die Messzeit zwischen 64 und 80 Min. liegt, würden die Emissionen aus der Messung zwischen 25 und 31g liegen. Allerdings variiert der Energieverbrauch sehr stark zwischen den elektronischen Geräten: Er ist bei reinen Lesegeräten wie Kindle mit Abstand am niedrigsten, steigt über Tablets und Laptops an, um bei Computerbildschirmen und Desktops den höchsten Wert zu erreichen.


Der Umwelteinfluss des digitalen Papiers geht aber noch weiter. Wenn Sie den Artikel online aufrufen, hat Ihre Nutzung mehrere Rechenzentren aktiviert. Denn auch Websites werden in Rechenzentren gespeichert, sodass der Zugriff auf einen Server Energie verbraucht, die für den Betrieb und die Kühlung benötigt wird. Zugegeben, Ihr einzelner 20-seitiger Artikel wird nicht viel verbrauchen – die Übertragung von 1 GB Daten benötigt ungefähr 5 kWh. Die Emissionen eines 1-GB-Transfers erreichen daher je nach Energieeffizienz eines Kraftwerks zwischen 2 und 3 kg Kohlendioxid.


Ein 20-seitiges Dokument ohne Bilder wird ein paar Hundert Kilobyte nicht überschreiten, sodass seine Emissionen vernachlässigbar sein könnten. Die Größe eines 20-seitigen Artikels kann je nach Anzahl der Bilder zwischen 150 und 1250 kB variieren. Der entsprechende Ausstoß von Treibhausgasen liegt demnach unter einem halben Gramm. Dennoch tragen mehrere Milliarden Benutzer, alle mit diesen „vernachlässigbaren Auswirkungen«, zu etwa 2 % des weltweiten Stromverbrauchs bei, den die Rechenzentren derzeit verbrauchen. An diesem Punkt tragen Rechenzentren zu 0,3 % der globalen Kohlenstoffemissionen bei. Prognosen zeigen sogar einen Anstieg des Energieverbrauchs auf 8 % des weltweiten Gesamtverbrauchs bis zum Jahr 2030.


Die Auswirkungen der Entsorgung

Wie Ihr Produkt sein Leben beendet, hat einen wichtigen Einfluss auf die Nachhaltigkeit seines gesamten Daseins. Die Mühe, die Sie aufwenden, um Ihre Papiere und Laptops zu einer Recyclingstelle zu bringen, sie wiederzuverwenden oder Ihren Laptop aus zweiter Hand zu verkaufen, schlägt hierbei stark ins Gewicht.


Ein Blatt Papier kann bis zu sieben Mal recycelt werden. Die Neuverwertung von Papier bis zu seiner maximalen Kapazität kann seine Emissionen um grob die Hälfte senken, von 6 kg pro 1000 Blatt auf 3,2. Europa recycelt über 70 % seines Papiers, und die Zahlen sind weltweit vergleichbar. Wenn Sie sicherstellen, dass Ihr 20-seitiges Dokument maximal recycelt wird, würde sich also sein Kohlendioxid-Ausstoß von 1,85 kg auf 0,87 kg verringern. Hinzu kommt, dass Sie dadurch 2,65 Liter Frischwasser einsparen.


Die einzigen Emissionen beim Löschen Ihrer digitalen Datei stammen von der Energie, die zum Betreiben Ihres Bildschirms verwendet wird. Doch was mit Ihrem Laptop passiert, wenn Sie sich für einen neuen entscheiden, hat einen Einfluss, der signifikant genug ist, um ihn für diesen Fall zu erwähnen.


Wie Sie sich vielleicht erinnern, stammt der größte Teil des CO2-Fußabdrucks der Laptop-Produktion aus der Gewinnung von seltenen Metallen. Einen Laptop zu recyceln bedeutet, 50 % der Emissionen auszugleichen, die bei der Herstellung eines brandneuen Laptops anfallen. Bei gebrauchten Laptops erreicht der Wert sogar ganze 75 %. Doch im Jahr 2022 wurden gerade einmal 17 % der 59 Millionen Tonnen des anfallenden Elektroschrotts recycelt. Wenn Sie sich die Mühe machen, Ihren Laptop weiterzuverkaufen oder ihn zu einer echten Recyclingstelle zu bringen (was einige Nachforschungen erfordern wird), verringert sich Ihr CO2-Fußabdruck erheblich.



Allerdings ist dies ein lohnenswerter Aufwand, denn die Menge an Elektroschrott steigt dreimal schneller als die Weltbevölkerung, und 90 % davon werden illegal entsorgt. Im Jahr 2022 haben wir Menschen wie bereits erwähnt 59 Millionen Tonnen Elektroschrott erzeugt: Das entspricht 7,5 kg für jeden Erdbewohner.


Neben wertvollen Metallen, die hier auf den Schrottbergen des Planeten landen, beherbergen diese Elektrogeräte auch einige hochgiftige Stoffe. Die entstehende Umweltbelastung ist hierbei nur ein Teilaspekt.

Oft ist es die Aufgabe von Kindern und Frauen in Entwicklungsländern, die Haufen von Elektroschrott zu bergen, um wertvolle Metalle wiederzugewinnen. Dieser Prozess des Semi-Recyclings erweist sich oft als enorme Belastung für Arbeiter und Umwelt. Beispielsweise werden häufig Geräte verbrannt, um den darin enthaltenen Kupfer zu gewinnen. Dass derartige Vorgänge weder der Natur, noch den Atemwegen der Arbeiter guttun, muss hier wohl nicht weiter erläutert werden.


Das verborgene Potenzial von Papier

Während die Möglichkeiten, die CO2-Emissionen eines Laptops zu verringern, immer weiter stagnieren, hat das Papier das Potenzial, durch Verzögerung der Emissionen zur Verbesserung der gesamten Treibhausgas-Bilanz beizutragen. Bäume in Papier zu verwandeln bedeutet, den Kohlenstoff, der beim Verbrennen in die Atmosphäre freigesetzt wird, vorübergehend zu speichern. Eine Studie in einer chinesischen Papierfabrik ermittelte, dass die Berücksichtigung der Kohlenstoff-speicherfähigkeiten von Papier in einer sogenannten Lebenszyklusanalyse die Reduzierung der Emissionen um 24 % über 30 Jahre zeigt.


In Kombination mit der Fähigkeit der Papierindustrie, das Naturkapital durch die Wiederaufforstung von Bäumen zu erhöhen, bietet die Kohlenstoffspeicherkapazität der Industrie sogar die Möglichkeit, klimapositiv zu werden.


Einige Empfehlungen

Die vereinfachte Antwort auf die Frage »Digital vs. Papier« lautet: Wenn Sie Dokumente nur überfliegen, ist es nachhaltiger, sie online zu lesen. Wenn Sie sie mehrmals lesen oder sie an einen anderen Leser weitergeben möchten, ist Drucken die umweltschonendere Option.


Da der ökologische Fußabdruck kontextabhängig ist, können Sie in Ihren Unternehmen, aber auch als Privatperson versuchen, Ihren entsprechenden Kontext zu berücksichtigen, bevor Sie sich für Digital oder Papier entscheiden. Wenn Sie beispielsweise ein Meeting veranstalten, bei dem Sie einige Dokumente präsentieren, denken Sie darüber nach, wie viele Personen teilnehmen, um zu verstehen, wie viele Papierkopien Sie drucken müssen, und stellen Sie dies der Zeit gegenüber, die Sie einen Projektor in Betrieb halten.


Natürlich gibt es vielfältige Möglichkeiten für einen bewussteren Umgang mit der Thematik.Versuchen Sie beispielsweise, die Lebensdauer Ihres Laptops oder Smartphones oder auch Ihrer Drucksachen zu maximieren.


Erwägen Sie, Ihr altes Elektrogerät zu verkaufen oder zu spenden, sobald Sie ein neues gekauft haben.


Denken Sie daran, dafür zu sorgen, dass Ihr Abfall – ob nun elektronisch oder organisch – ordnungsgemäß recycelt wird.


Entscheiden Sie sich für kleinere Bildschirme und Laptops statt Desktop Rechnern und schalten Sie Ihre Geräte aus, wenn Sie diese gerade nicht verwenden.


Man kann also abschließend zusammenfassen, dass sich die Frage nach der ökologischeren Alternative nicht so klar beantworten lässt, sondern diese immer vom Kontext abhängig ist.


Sicher ist jedoch, dass sich in der Art und Weise, in welchem Ausmaß sich die Produktion und Entsorgung von digitalen Geräten derzeit gestaltet, grundlegend etwas ändern muss. Lassen Sie uns also rational bleiben, Chancen erkennen und einen Beitrag zum Erhalt unseres Planeten leisten.







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