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  • AutorenbildKatrin Groß

Lass die Leute reden! Über Kommunikation in der digitalen Welt

Vor kurzem habe ich aus einer Umfrage gelernt, dass die meisten der dort angesprochenen Personen bei der Konversation das Schreiben dem Telefonieren vorziehen. WhatsApp wurde als beliebtestes Medium genannt. Als Begründung wurde häufig angegeben, dass es schneller gehen würde als ein Telefonat. Zu meiner Schulzeit waren die Telefontarife noch so gestaltet, dass für die ersten 8 Minuten eine pauschale Rate anfiel, für längere Unterhaltungen fielen dann im Minutentakt weitere Beträge an. Meine Eltern, die ohnehin nicht ganz nachvollziehen konnten, warum meine Schwester und ich kurz nach dem Heimkommen aus der Schule den Kontakt mit den Klassenkameraden suchten, die wir doch den ganzen Vormittag bereits gesehen hatten, stellten eine kleine Eieruhr neben das Telefon. Wir sollten uns kurzfassen, hieß das. So gesehen stimmt es sicherlich, dass ein Telefonat länger dauern kann als eine Textnachricht. Wenn ich allerdings heute ein Treffen mit Freunden verabreden möchte, kann es einige Ping-Pong-Nachrichten dauern, bis Zeit und Ort vereinbart sind. Das hätte ich in einem direkten Gespräch sicherlich schneller hinbekommen.





Filterblasen und Echokammern sind ein riesiges Problem in unserer digitalen Welt. Sie engen unsere Sicht ein und beschränken den offenen, von Wertschätzung geprägten Austausch von Argumenten.
© Adobe Stock

Über die digitalen Kanäle stehen wir heute mit wesentlich mehr Menschen in Kontakt als dies in meiner Jugend der Fall war. Die Anzahl der Mobilnummern in unseren Handys dürfte bei vielen deutlich dreistellig sein. Doch ehrlicherweise besteht zu den meisten der dort hinterlegten Menschen eine eher lose Verbindung. Und das Geplauder in den diversen Chat-Gruppen ist sicherlich unterhaltsam, besonders tiefgreifend werden die Dialoge jedoch fast nie. Bei mir werden die Leistungen der Lieblings-Fußballmannschaft kommentiert und lustige Bilder geteilt, die mit einem Emoji beantwortet werden.


Dabei hätten wir heute viel mehr Gelegenheit für einen echten Austausch. Von der Kommentarfunktion der Zeitungen im E-Paper-Format bis zu Twitter oder anderen sozialen Medien, überall können wir unsere Meinung kundtun. Doch eine fruchtbare Diskussion ist hier kaum zu finden. Kommentare werden eher mit einem »So ein Quatsch« oder auch einem »Super, genau meine Meinung« beantwortet; ein tiefer Dialog, wo Argumente der anderen aufgegriffen werden und darauf aufbauend diskutiert wird, gibt es fast nie. Und wer sich einbringt muss aufpassen, dass er nicht in einer Blase landet. In Echokammern wird die eigene Sichtweise in den Äußerungen der anderen Chat-Teilnehmer bestätigt. Eine diverse Sichtweise ist oft gar nicht erwünscht. Ohne digitale Geräte verlassen wir heute kaum noch das Haus. Als ich bei meinem letzten Restaurantbesuch den Blick durch den Raum schweifen ließ, war auf den meisten Tischen ein Mobiltelefon sichtbar. Nicht nur dass einige Betreiber, insbesondere durch Corona, dazu übergegangen sind, die Speisekarten per QR-Code zum Abruf bereitzustellen. An dem einen Tisch wurden die Kinder mit Filmchen unterhalten, am Nachbartisch zeigte ein Gast die Bilder seines letzten Urlaubs auf dem Handy und am nächsten Platz wurde die Zugverbindung für die Heimfahrt herausgesucht. Ganz selbstverständlich kommunizieren wir nicht nur mit sondern auch über die Geräte. Eher befremdend ist es für mich dennoch, wenn ich beobachte, wie das Pärchen sich bei Kerzenschein gegenübersitzt und jeder schielt immer wieder auf das eigene Mobiltelefon. Man kann nicht nicht kommunizieren, sagt Watzlawick. Wenn man permanent die eingehenden Nachrichten checken muss, sagt das wohl auch etwas über die Wichtigkeit der Anwesenheit der Begleitung aus. Ganz nonverbal.


Menschliche Kommunikation ist eine Frage der Haltung, nicht der Technik.

Auch im beruflichen Kontext findet Austausch zunehmend auf digitaler Ebene statt. Häufig sitzen nicht alle Kollegen in räumlicher Nähe. Arbeiten kann man, je nach Art der Tätigkeit, von nahezu überall. Statt direkt von Angesicht zu Angesicht zu reden, ist die E-Mail der Träger. Das kann die Mitarbeiter vor Herausforderungen stellen. Wir können nicht davon ausgehen, dass jeder eine angeborene Kompetenz zu Dialog und Diskussion hat, erst recht nicht, wenn diese schriftlich erfolgt. Eine virtuelle Konfliktlösung ist wesentlich anspruchsvoller als ein Austausch im realen Leben. Braucht es demnach eine neue Art der Interaktion, wenn diese digital erfolgt? Im Grunde sollte das nicht der Fall sein, denn menschliche Kommunikation ist eine Frage der Haltung, nicht der Technik. Nichtsdestotrotz gilt es, sich der gegebenen Situation anzupassen.


Sebastian Pflüger hat dies in seinem Buch »Kommunikation für die digitale Ära« herausgestellt. Unter der Überschrift »New Era Communication« zeigt er in vier Phasen die Kompetenzen auf, die für das digitale Zeitalter notwendig sind. Vor schwierigen Gesprächen solle man innere Klarheit finden; welche Ziele erwarte man von der Unterhaltung. Gedanken, wie es zu der aktuellen Situation kam und welche Gefühle damit verbunden sind, stünden am Beginn. Jeder könne auf Erfahrungen der Vergangenheit zurückgreifen, um zu erkennen, welche Ansätze bereits erfolgversprechend waren, um auch die aktuelle Besprechung erfolgreich zu gestalten. Mit der Überlegung, welches ein Maximal- und was das Minimalziel sein sollte, kann die Aussprache gestartet werden.


Eine wohlwollende Haltung dem anderen gegenüber sei Voraussetzung. Schließlich können wir davon ausgehen, dass niemand heute Morgen mit dem Ziel aufgestanden sei, uns auf die Palme zu bringen. Jeder bewerte einen Sachverhalt auf Grundlage der eigenen Erfahrungen und Motive. Um uns von einer eingeengten Sichtweise zu befreien, könne es helfen, im Geiste verschiedene Rollen anzunehmen. Der Antagonist sieht im Gegenüber vorrangig das Negative. Hier könne man sich wunderbar reinsteigern und dem Gesprächspartner üble Absichten unterstellen. Der Statist versucht dagegen, die Sache von außen, möglichst neutral zu beurteilen. Der Held geht davon aus, dass der Dialogpartner in guter Absicht handle, wir dies nur noch nicht erkannt haben. Der Protagonist versucht, abschließend gesamtheitlich auf die Angelegenheit zu blicken.


Rhetorische Flexibilität setze alterozentrisch Zuhören voraus, die Fähigkeit, sich ganz auf den anderen einzulassen. Gespräche seien dann erfolgreich, wenn sie auch für das Gegenüber einen Mehrwert brächten. Es gelte demnach, den Nutzen für beide Seiten herauszustellen. Grundlegend sei hier auch, dem Partner Wertschätzung zu zeigen. Diese sei nicht zu verwechseln mit einem Lob. Ein »toll gemacht!« sei zwar auch schön zu hören, besser sei aber eine Begründung und die persönliche Verbundenheit für die gute Leistung. Gezielte offene Fragestellungen helfen, die Motivation des anderen zu verstehen. Es sei auch gar nicht oberste Pflicht, die Aussprache »sachlich« zu führen. Eigene Gefühle und Empfindlichkeiten dürfen durchaus zur Sprache gebracht werden.


Unterredungen führten immer zu einem Ergebnis. Das könne positiver oder eben auch negativer Natur sein. Ein Umgang mit dem unvorhersehbaren Ergebnis steht am Abschluss des Gesprächs. Reflexion des Gesagten sei unabdingbar. Nach dem Motto »love it, change it or leave it« müsse überdacht werden, welche Rückschlüsse für weitere Besprechungen gezogen werden können, ob das Ganze nochmals angegangen werden solle, oder ob der Sachverhalt gar beendet werden sollte.


Die Fähigkeit, Emotionen zu regulieren, ist ein lebenslanger Lernprozess. Täglich untermauert wird diese Erkenntnis bei „Diskussionen“, die beispielsweise auf Social Media-Plattformen wie twitter stattfinden. Im Allgemeinen lernen wir jedoch bereits im Alter von 5-6 Jahren, unsere Emotionen besser zu steuern und angemessene Wege zu finden, mit ihnen umzugehen. © Adobe Stock

All die von Pflüger dargestellten Handlungsorientierungen sind nicht dogmatisch zu verstehen. Und selbstverständlich sind sie nicht ausschließlich auf den digitalen Umgang miteinander zu beziehen. Kommunikation wird in den seltensten Fällen perfekt sein. Selbst wenn wir uns vorher eingehend gedanklich darauf vorbereitet haben. Wenn es sich um eine für uns wichtige Unterredung handelt, sind gewiss Emotionen mit der Thematik verbunden. Und das ist auch gut so. Emotionen sind notwendig, um Entscheidungen zu treffen. Wenn uns alles egal wäre, würde es uns sicherlich nicht weiterbringen. Was die digitale Kommunikation ausmacht, insbesondere die geschriebene, ist, dass wir alles, was wir zum Ausdruck gebracht haben, nochmals anschauen können. Eine in Erregung in scharfem Ton verfasste WhatsApp-Nachricht oder E-Mail kann der Empfänger immer wieder hervorziehen und sich über das Geschriebene ärgern. Umgekehrt gilt das natürlich auch für ein positives Feedback. Das wird länger nachwirken als ein »Schulterklopfen«. Grundsätzlich ist es immer wichtig, adressatengerecht zu kommunizieren. Eine Begrüßung meiner Geburtstagsgäste wird sich im Ton anders anhören als eine Beschwerde bei einem Kundendienst. Hinzu kommt jetzt, dass wir uns auch über den zu wählenden Kanal Gedanken machen müssen. Schwierige Thematiken lassen sich einfacher im realen Leben angehen. Sollte das nicht möglich sein, wird eine Kontaktaufnahme über Skype, Zoom oder einen anderen Anbieter dem reinen geschriebenen Austausch vorzuziehen sein. Es fällt uns eben einfacher, wenn wir die Gefühlsäußerungen des Gegenübers auch sehen und einschätzen können. Bei einem schriftlichen Dialog hingegen hat jeder die Möglichkeit, Bedenkzeit zwischen den Beiträgen zu haben. An der Antwort kann noch gefeilt werden. Da man jedoch die unmittelbare Reaktion nicht sehen kann und gegebenenfalls noch korrigierend handeln kann, ist es umso entscheidender, wertschätzend und sachlich zu argumentieren.

Das Wichtigste dürfte aber bleiben: Seien Sie authentisch. Man merkt früher oder später, ob Sie es wirklich ernst meinen. Auf welchem Weg Sie dabei kommunizieren, ist nicht der entscheidende Punkt. Wenn Sie mit uns in Kontakt treten möchten, stehen Ihnen viele Wege offen. Sie können mit uns chatten, mailen, telefonieren und selbstverständlich freuen wir uns sehr, wenn wir uns persönlich begegnen.

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